Während meiner 1-Jahrestour durch Südostasien und Südamerika hatte ich Zeit das eine und andere Buch zu lesen. Dabei fiel mir u.a. „Die Pfaueninsel“ von Thomas Hettche in die Hand oder besser gesagt auf dem Kindl. Ein Stück Heimat sozusagen am anderen Ende der Welt.
Von Berlin aus ist die gerade mal 1km breite und 1,7km lange Insel am Besten vom S-Bahnhof Wannsee zu erreichen. Meine beiden Lieblingsmenschen begleiten mich heute auf diesem herrlichen Sonntagsausflug bei natürlich allerschönstem Ausflugswetter. Los geht’s!
Der Weg ist das Ziel
Wir steigen im Bahnhof Zoo in die S7 Richtung Potsdam Hauptbahnhof, mit dem Ziel S-Bahnhof Wannsee. Von hier aus gibt es viele Möglichkeiten zur Insel zu kommen, u.a. auch mit dem Bus 218. Dieser fährt aber nur alle 30 Minuten und so entscheiden wir spontan die 7,6 km zur Insel zu laufen bzw. zur Fähranlegestelle.
Als wir den S-Bahnhof Wannsee verlassen überrascht mich ein wunderschöner Ausblick auf den, na klar, Wannsee. Wieder einmal muss ich mir eingestehen, dass ich überhaupt keine Ahnung von meiner Heimat habe und diese in den letzten Jahren mehr als vernachlässigt habe. Wir lassen den berühmten Biergarten „Loretta am Wannsee“ – ja, den kenne ich noch aus meiner Studentenzeit hier in Berlin, und den Fähranleger, wo viele Berliner und Touristen auf die Ausflugsboote nach Potsdam, Pfaueninsel, Havel, Berlin, etc. warten, links bzw. rechts liegen und spazieren weiter über die Königstraße.
Eigentlich mehr durch Zufall entdecken wir Wegweiser zur Liebermann-Villa und dem Haus der Wannsee-Konferenz. Hier klingelt etwas bei uns allen und nach einem kurzen Check mit der Karte wählen wir diesen Weg, liegt er doch auf unserer Strecke.
Unter einem im schönsten Sommerblau erstrahlenden Himmel passieren wir prächtige Gründerzeitvillen, elitär wirkende Segelclubs (hat ja schon etwas diskriminierendes „Mitglieder only“ oder „Gäste nur in Begleitung eines Mitgliedes“), protzige Neubauten und eine Entzugsklinik darf in dieser Idylle natürlich auch nicht fehlen. Man kann auch sagen, hier wo Porsche, Mercedes und Boote am Straßenrand parken.
Liebermann-Villa am Wannsee
„Mein Schloß am See“ – so bezeichnete Liebermann liebevoll und stolz sein 1909 errichtetes Sommerdomizil in bester Lage (und Nachbarschaft) am Wannsee. Der Vorgarten mit dem Gartenhäuschen führt den Besucher eher in die Irre ob der wahren Größe des Anwesens. Bei einem wie ich finde wirklich stolzen Preis von 8€ Eintritt bleibt es bei einem bewundernden Blick durch den Gartenzaun.
Mein Tipp: Geschichte der Villencolonie Alsen
Hier reiht sich eine Prachtvilla neben die Nächste – die Villencolonie Alsen ist nicht nur ein architektonisches Juwel. Hier wurde Geschichte geschrieben – vor allem zu den düstersten Zeiten Deutschlands. In der Gartenausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz werden die einzelnen Villen, ihre Besitzer und ihre Geschichte vorgestellt. Sehr sehenswert!
Gedenkstätte: Haus der Wannsee-Konferenz
Und da waren wir….über einen langen Sandweg erhob sich majestätisch die ehemalige Fabrikantenvilla und heutige Gedenkstätte. Perfekt in Ihrer symmetrischen Architektur, umgeben von einer großen Parkanlage und mit dem Wissen, dass dahinter, idylisch, der Wannsee wartet. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen wie hier das damalige Großbürgertum gelebt und sein Leben genossen hat.
Und dann wurde es 1940 – die dunkelsten Stunden Deutschlands machten auch vor diesem Fleckchen Erde nicht halt. Ganz im Gegenteil – gefühlt hat sich hier das Böse in jeder Ecke breit gemacht. Im Haus der Wannsee-Konferenz wurde im Januar 1942 der Plan zur europaweiten Deportation und Vernichtung der Juden beschlossen. Das war es also, was da in unseren Köpfen geklingelt hatte – irgendetwas mit Geschichte. Die ständige Ausstellung im Haus ist kostenfrei und super detailliert. Absolut empfehlenswert!
Am Ufer des Wannsees, im Garten der Villa, machen wir eine kleine Verschnaufpause. Im Freibad Wannsee, auf der anderen Seite ist auf jeden Fall ordentlich was los. Dann schau ich auf die Uhr – ups, schon fast 14 Uhr und wir haben noch ein ordentliches Stück Fußmarsch vor uns.
Kurz hinter der Gedenkstätte gibt es noch ein, zwei schöne Lokalitäten um sich zu stärken, aber wir haben keine Zeit. Auf der Uferpromende geht es nun, schön beschattet, entlang der Havel Richtung Fähranlegestelle zur Pfaueninsel. Immer wieder passieren wir kleine und größere Badestellen und ich wünschte wir wären doch schon 2-3 Stunden eher los, um auch hier noch einmal eine Pause einlegen zu können und diesem entspannten, sonnenverwöhnten Tag zu fröhnen.
Anfahrt zur Pfaueninsel
Als wir an der Anlegestelle ankommen merke ich die knapp 8km die wir bereits gelaufen sind….aber der eigentliche Spaßteil fängt ja jetzt erst an – die Eroberung der Insel.
Die Fähre bringt im 10-20 Minuten Takt Leute zur und von der Pfaueninsel. Eigentlich ist es lachhaft – die Überfahrt dauert 5 Minuten und sicherlich wäre eine Brücke effizienter. ABER das Flair ist natürlich ein anderes. Und wer weiß welche Gründe noch für den Fährbetrieb sprechen. Wer es weiß von Euch – schreibt es gern in den Kommentar. Würde mich wirklich interessieren.
Einmal um die Pfaueninsel
Rechts oder links herum – das ist die Frage nachdem wir gelandet sind. Der Strom der Leute folgt ihrem Instinkt und geht nach rechts – also gehen wir nach links. In der Hoffnung dem Touristenstrom wenigsten etwas zu entkommen, bzw. zuvorzukommen. Leider klappt das nicht wirklich und so haben wir den surrealen Anblick des Dornröschen- Lookalike- Schloßes nicht für uns allein. Surreal – irgendwie ist die ganze Insel nicht real. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, durch die Kulissen eines Grimm-Märchens zu laufen.
Etwas Geschichte muss sein
Anfänglich genutzt zur Kaninchenzucht, später als Labor für den Alchimisten Johann Kunckel, mit einem düsteren Ruf als Ort, wo schwarze Magie praktiziert wird, wurde es unter König Wilhelm II. ein versteckter Ort der Entspannung und Erholung. Das Schloß wurde 1794 – 1796 errichtet. Seit 1830 ist die Pfaueninsel für die Öffentlichkeit zugänglich und steht seit 1924 unter Naturschutz. Daher auch die strengen Regeln: Nichtraucher, kein Lärm, kein Fahrräder, etc. Heute gehört die Insel auch zum UNESCO Weltkulturerbe.
Da die Insel in dieser Jahreszeit bereits um 19 Uhr schließt bleiben uns noch gut 2h für die Erkundung. Wir steuern die Meierei am entgegengesetzten Ende an. Kurz ist die Verlockung groß abzukürzen und auf der Liegewiese bei einem kühlen Alster und Picknick die schweren Beine auszuruhen. Aber meine zwei Lieblingsmenschen sagen „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ und so laufen wir weiter.
Endlich – Pause auf der Liegewiese
Dann endlich darf ich Pause machen. Die „offizielle“ Liegewiese führt ins grüne Innere der Insel, leider weg vom Wasser. Es gibt einen kleinen Kiosk mit Kaltgetränken und verlockend aussehenden Kuchen und süßen Teilchen. Auch eine Grillstation gibt es, und obwohl uns das Wasser im Mund zusammenläuft reißen wir uns zusammen und freuen uns auf unser mitgebrachtes Picknick. Über eine Stunde verweilen wir dort und genießen das satte Blau des Himmels, das Grün der Bäume und hören ab und zu einen Pfauenschrei.
Wo sind sie denn – die Pfauen auf der Pfaueninsel?
Ach ja, da war ja noch was – die Pfauen. Ohne einen Pfau gesehen zu haben kann ich doch nicht von der Insel runter! Also scheuche ich uns alle hoch von der gemütlich Decke und wir folgen den Rufen, die Richtung Fähranlegestelle immer lauter werden. Und dann ist er da – der erste „freilebende“ Pfau. Ich meine, nicht dass ich nicht schon Pfauen gesehen hätte – aber hier auf der Pfaueninsel. Ist irgendwie was anderes, besonderes, oder?! Das denken auch die anderen Leute die sich um den Pfau scharren, mit Ihren Handys griffbereit, auf den Moment wartend, wenn das imposante Federkleid zu dem berühmten Rad aufgeschlagen wird. Und wir müssen nicht lange warten – da ist es. Das imposante Federkleid des stolzen Pfaus.
Höhepunkt: ein weißer Pfau
Ein paar Meter weiter warten dann schon die nächsten Exemplare und eine besondere Überraschung für uns. Ein komplett WEISSER Pfau – viele ahs und ohs folgen. Der sieht wahrlich schon sehr mystisch aus und ist ein schöner Abschluss für unseren Rundgang auf der Insel.
Geschafft und glücklich warten wir auf die Fähre die uns wieder an Land bringt. Da der letzte Bus erst um 20 Uhr fährt haben wir noch Zeit für ein kühles Radler und einen wunderschönen Sonnenuntergang im Wirtshaus zur Pfaueninsel. Gut das wir keinen Hunger haben, denn die Küche ist bereits seit einer Weile geschlossen.
Spaziergang vom S-Bahnhof Wannsee zur Anlegestelle Pfaueninsen
Länge: 7,6 km
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