„….der blaue Himmel durch die Baumkronen blitzt und die Seele zu baumeln beginnt, dann sind Sie auf dem richtigen Weg zu einem ganz besonderen Ort.“ Diese Zeilen las ich vor ein paar Wochen im Internet und fühlte mich sofort angesprochen. Ich war gerade auf der Suche nach einem schnuckeligen Hotel unweit von Berlin. Es sollte einfach zu erreichen sein und ich hoffte mal eine Übernachtung wie im Märchen zu finden. So entschloß ich mich diesen zauberhaften Ort im Märkisch Oderland aufzusuchen – Schloss Reichenow.
Atmosphäre
Es ist wie im Märchen…heutzutage fährt man ja nicht mehr mit der Kutsche und vier Schimmeln vor die Eingangspforte. Aber als ich den, von sattem Grün umrandeten, Kiesweg zum Eingang des Schlosses hinauflief konnte ich es mir lebhaft vorstellen.
Vor uns tat sich ein wirklich imposanter Blick auf. Das, sehr gut erhaltene, sandfarbene Schloss, inmitten einer, bis dahin nur zu erahnenden, großen Parkanlage und kurz blitzte auch das Blau des dahinter liegenden „Langen Sees“ auf. Pures Vorfreude!
Der Holzboden knarzte als wir in das große Foyer eintraten. Ein riesiger Kronleuchter, ein modernes Gemälde und ein altes restauriertes Fahrrad – Vorboten eines wirklich geschmackvoll, modern eingerichteten Hotels. Ein kleines Schild wies uns den Weg zum Check – in, der sich an der Bar befand.
Eine klassische Rezeption gibt es nicht – dadurch fehlt leider der Anlaufpunkt um Fragen zu stellen oder Empfehlungen einzuholen. Andererseits wird dem Gast dadurch das Gefühl vermittelt, dass er Kommen und Gehen kann wann er will und kein Hotelgast im eigentlichen Sinne ist.
Es gibt unheimlich viele Terrassen und Aufenthaltsmöglichkeiten – wunderschön mit Blick zum See. Im Schloß selber gibt es ebenfalls viele Rückzugsmöglichkeiten, um sich mit einem Kaffee und einem Buch in die modernen, samtenen Sessel zu kuscheln oder einfach nur mit einem Glas Gin Tonic die moderne Atmosphäre in alten Gemäuern auf sich wirken zu lassen.
Im ganzen Haus verteilt findet man Exponate zeitgenössischer Kunst. Dadurch, und durch das teils antike aber auch moderne Mobiliar, erhalten alle Räume eine Luftig- und Leichtigkeit, in der man sich nur zu gern aufhält.
Der oben schon erwähnte große Garten lädt zum Verweilen ein. Auf den Liegen kann man den Trubel der Großstadt, der nur 1h entfernt ist, wunderbar vergessen, bevor man sich in sein Zimmer zurückzieht und für das Abendessen im hauseigenen Restaurant einstimmt.
Zimmer
GROSS – einfach nur GROSSartig und geräumig.
Sowohl Schlafbereich, als auch Badezimmer boten den Blick in den Garten und auf den See. Große Fensterfronten, die von mir natürlich ganz Prinzessinnenlike geöffnet wurden, erhellen den Raum und die schweren Samtvorhänge sorgen für Dunkelheit in der Nacht.
Genau wie das ganze Schloß herrscht auch in den Zimmer eher Minimalismus – dadurch kommt die Größe und der zur Verfügung stehende Raum noch viel besser zur Geltung. Schrank und Bett sind aus massiven Holz, eine elegante Sitzecke ist das passende Pendant dazu.
Das große Bad, ganz in weiß gefliest, kommt ebenfalls mit wenig SchnickSchnack aus – eventuell an dieser Stelle zu wenig. Durch die offene Badewanne wird der Duschspaß für all diejenigen, die folgen, eher zur unangenehmen Wasserschlacht. Föhn, Duschkosmetik, Handtücher, etc. sind ausreichend vorhanden.
Essen
Im hoteleigenen Restaurant kocht der Eigentümer, Jan Eilers, höchst persönlich. In einigen Rezensionen wurde die regionale Küche, mit lokalen und saisonalen Zutaten, und vor allem der gut ausgestattete Weinkeller gelobt. Gleichzeitig gab es jedoch auch immer den Hinweis, dass man mit nicht allzu hohen Erwartungen kommen sollte – für mich total unverständlich.
Die übersichtliche Karte las sich schon verführerisch und neben dem klassischen Tartar und Carpaccio gab es auch ausgefallenere/ kreativere Speisen, die sofort meinen Will-ich-probieren-Geist weckten.
Vorspeise
Der Gruß aus der Küche war schon ein vielversprechendes Lammfilet an Wildkräutersalat. Zur Vorspeise wurde ein Carpaccio vom Dry Age Rind an Trüffelöl und für mich die geeiste Teltower Rübchensuppe mt Fenchelsorbet kredenzt. Letztere entpuppte sich als ein Traum in weiß – ähnlich einem Schneegestöber und war wirklich lecker. Das Fenchelsorbet war geschmacklich etwas vollkommen Neues; leichte Süße, sehr frostig – am Ende hat mir das typische Fenchelaroma gefehlt – aber die Kombi und die Idee war Klasse. Vor allem für den Sommer 2018.
Hauptspeise
Unter den 8 Hauptspeisen gab es eine gute Auswahl an Geflügel (u.a. auch Taube), Rind und Schwein, Fisch und auch ein vegetarisches Gericht. Wir entschieden uns für die Kalbsbacke mit Serviettenknödel und das Seelower Schweinekotelett mit Steinpilzgnocchis. Zu beiden Gerichten wurde als Gemüse der Saison, unglaublich lecker angerichtete, Zuckerschoten serviert.
Beide Gerichte wurden mit Genuss und vielen ahs und ohs verspeist. Zugegeben, an der einen oder anderen Stelle war mir das Kotelett etwas zu durch und die Kalbsbacke hatte für den Geschmack meines Partners etwas zu viel Fett, aber die Gesamtkomposition war stimmig.
Und wie las ich in einer Bewertung: „…die erste Freude hat man schon beim Blick auf die rechte Seite der Karte. Kein Hauptgericht kosten über 20€„. Das ist auch immer noch so!
Dessert
Ein Dessert musste noch sein. Dafür war die Atmosphäre, der Service und alles drum herum wie geschaffen. Neben den drei Angeboten auf der Karte, wurde uns noch ein Fruchtsorbet auf Champagner empfohlen. Perfekt – und einmal die Schokoladenravioli bitte!
Schokoladenravioli – auch wieder etwas für mich Neues und ich fand die Idee super. Das Sorbet wurde erst am Tisch mit dem Champagner aufgegossen. Die Schokoladenravioli waren nicht wie angekündigt mit Mirabellen gefüllt, sondern mit weißer Schokolade -für mich ja viel besser! Die Mirabellen fanden sich als Fruchtspiegel auf dem Teller.
Ein gelungener Abschluss eines genussvollen Abends in einem stilvollen Ambiente!
Wein
Die hoch gelobte und viel gepriesene Weinkarte können wir leider nicht beurteilen und bewerten. Wir entschieden und für einen offenen Rot- und Roséwein, die in einer 0,2l Karaffe serviert werden.
Service
Das Hotel verfügt über 22 Gästezimmer, Tagungskapazitäten für bis zu 150 Personen. Im Restaurant- und Barbereich können ebenfalls bis zu 60/ 70 Personen Platz nehmen. Das Personal im Restaurant war super freundlich, aufmerksam, zuvorkommend und immer da wenn man es brauchte.
Sehr schön fand ich die familiäre Stimmung – so gibt es im hinteren Bereich des Gartens einen Tisch, an dem die Angestellten ihre Pausen verbringen können und dort auch gemeinsam gegessen wird.
An beiden Tagen waren im Service jeweils das selbe Personal vor Ort – ich vermute, und hoffe, dass die Fluktuation hier nicht so hoch ist, und die Qualität im eigenen Haus angelernt und erhalten bleibt. Wir fühlten uns jedenfalls sehr gut aufgehoben!
Was fehlte war ein Anlaufpunkt, wo man mal fragen konnte, was man in der Region noch so machen könnte, oder um ein Taxi zu rufen oder ob es einen Wellnessbereich gibt – das weiß ich leider bis heute nicht. Vielleicht wäre eine kleine Rezeption oder ein kleiner Informations- und Empfangsschalter doch gar nicht so schlecht.
Preis
Das Preis-/ Leistungsverhältnis war TOP!
- Doppelzimmer Deluxe, ink.l Frühstück: 140€/ Nacht
- 3 Gänge, inkl. Wein und Wasser für 2 Personen: 100€
Was tun in Reichenow?
Nun, wenn einen der Hafer sticht und man nicht genug damit hat mit einem Buch auf der Liege im Garten dem dolce vita zu fröhnen – dann gibt es ein paar Ausflugsmöglichkeiten, die mehr werden, je nachdem wie man in Reichenow vor Ort unterwegs ist.
Da wir weder Auto noch Fahrrad zur Hand bzw. unterm Hintern hatten, starteten wir mit einem Spaziergang um den Langen See, der immer wieder von Pausen und verträumten Blicken auf den See unterbrochen wurde. Danach eine kurze Verschnaufpause auf der Liege bevor wir uns zu einem knapp 5km langen Spaziergang über Stock, Feld und Stein nach Ihlow aufmachten, um dort Kaffee und Kuchen zu verspachteln.
Wem das nicht reicht, der kann sein Glück auf dem Rücken der Pferde, im knapp 15 km entfernten Pferdegestüt Klosterdorf finden oder im wunderschönen Golfpark Schloss Wilkendorf ein paar Bälle schlagen. Ich habe die Gelegenheit genutzt und uns für einen Schnupperkurs angemeldet. Das Taxi brachte uns von Reichenow die 22km nach Wilkendorf, für ca. 40€. Ob sich der Schnupperkurs gelohnt hat, erfahrt ihr hier.
Am Ende des Tages waren wir ziemlich fertig und kehrten diesmal gut bürgerlich im neben dem Schloß liegenden Kellerstübchen ein. Auch hier überzeugten Service, Geschmack und der Preis der Speisen.
Anfahrt
Neue Dorfstraße 1, 15345 Reichenow-Möglin
Schloß Reichenow ist von Berlin aus tatsächlich mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. Allerdings nur von Mo-Fr 🙂
S5 – Endstation Strausberg Nord, dann in den Bus 885 Richtung Wriezen oder mit dem Taxi, ca. 45€
Bewertungssystem: 5= ausgezeichnet; 1= schlecht
Schloss Reichenow
Kurzfassung
Eine familiengeführte Oase, leicht von Berlin zu erreichen, um dem Großstadtgewimmel zu entfliehen. Geist, Magen und Körper erleben ein absolutes Wohlempfinden – daher nur zu empfehlen!
1 Comment
Was für ein wunderbarer Bericht, der meine Vorfreude auf das anstehende Wochenende extrem steigert.