Die Anreise nach Vietnam, bzw. nach Cat Ba Island, war deutlich anstrengender als gedacht. Ich hatte mich entschieden direkt von Hanoi weiter in den Nordosten zu fahren, Richtung Ha Long Bay. Ha Long ist berühmt aus „Fluch der Karibik“, eine Ansammlung von tausend kleinen und größeren Inseln mitten im Meer – da es aber inzwischen touristisch komplett überlaufen ist, wird die kleine Nachbarinsel Cat Ba als Alternative angepriesen. Ist mittlerweile touristisch auch sehr gut besucht. Der Plan war also: Flughafen Hanoi, Taxi zum Busstand, 2x Bus zur Fähre (1x Buswechsel), Speedboat (hüstel, hüstel) zur Insel, Bus zum Stadtzentrum. Insgesamt eine Tour von 6h. Als ich dann endlich in Cat Ba angekommen war, war ich mega unentspannt. Zum ersten hatte ich noch keine lokale SIM Karte und zum zweiten hatte ich ein Bett in einem 30er Zimmer in einem Hostel gebucht und war entsprechend skeptisch. Es war einfach das günstige mit sehr, sehr guten Bewertungen. Und ich habe vorsichtshalber erstmal nur eine Nacht gebucht – für den Fall der Fälle. Wie eine Abhängige hing ich im Bus am Fenster und habe mir nach Schildern den Kopf verrenkt, die Telefonläden anzeigten. Und Gott seit Dank, hielt der Bus direkt vor so einem Laden. Punkt 1 von der Unentspanntheitsliste konnte damit schon mal gestrichen werden. Ich weiß, daß mir das sehr zu denken geben sollte :-(. Danach konnte ich schon deutlich entspannter die Promenade entlangschleichen, ich hatte immer noch meine beiden Rucksäcke dabei, Richtung Bett für die Nacht. Und auch hier erlebte ich eine super angenehme Überraschung. Denn zum einem bekam ich ein Bett in einem 4er Zimmer und zum anderen war es super sauber und gepflegt und die Lage – also wirklich, die Lage war EXZELLENT! Etwas erhöht gelegen konnte ich direkt nach Ankunft einen wunderschönen Sonnenuntergang über der Bucht erleben. Phänomenal! Bei all der Begeisterung ist mir dann aber doch noch das passiert, wo vor sich jeder Urlauber fürchtet – ich habe es geschafft, nach knapp 2 Monaten meine Kreditkarte, inkl. des bereits gezogenen Bargeldes für die ersten Tage/ Wochen in Vietnam zu verlieren!
Tja, was nun! Internet befragt, Nummer von VISA rausgesucht, netterweise das Handy von einem Angestellten bekommen und dann den ganzen Vormittag mit VISA und meiner Bank telefoniert – so richtig zufriedenstellend war das alles nicht. Man bekommt ja nur eine Ersatznotfall Karte zugeschickt, die immerhin gratis, allerdings kann meine Karte weder online Buchungen, noch kann ich damit Geld am Automaten ziehen, weil keine PIN-Funktion. Daürberhinaus gilt sie auch nur 6 Monate – was aber egal ist, da ich mit einer Karte, die solch eingeschränkte Funktionen hat gar nichts anfangen kann. Netterweise hat man mir noch Bargeld angewiesen, welches ich ein paar Tage später in Hanoi über Western Union relativ problemlos bekam. Die DKB, meine Bank, ist allerdings auch nicht grad die hellste Kerze auf der Bankentorte – keine Ahnung ob ich es schaffe, eine vollwertige Karte zugesandt zu bekommen. Da bin ich aktuell zwar dran, aber es ist wie immer, man bekommt von jedem eine andere Aussage bzgl. des Prozederes. Gott sei Dank habe ich noch eine zweite Kreditkarte dabei, sonst hätte ich wirklich Probleme. Und da seit dem 1. Juni, die DKB auch nicht mehr etwaig anfallende Gebühren der Banken im Ausland rückerstattet, bin ich am Überlegen, das Konto dort gänzlich auf Eis zu legen.
Nach diesem Schreck war der Tag erstmal gelaufen – ich wolle keine weiteren Risiken eingehen und hielt mich von Scootern, Hiking und sonstigen Abenteuern schön fern. Am Abend buchte ich dann mein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk – eine Schifffahrt mit Übernachtung durch die Ha Long Bay. Das wollte ich definitiv machen, wenn ich eines Tages nach Vietnam reisen würde – und jetzt war es soweit. Wir enterten ein mittelgroßes Motorboot und starteten bei bedecktem Wetter. Wir, das waren 2x Besatzung und 4 Franzosen, natürlich 2 Pärchen – ich richtete mich also auf zwei Tage in absoluter Einsamkeit ein. Denn wie bekannt, hat der Franzose es ja nicht so mit dem Englischen und ich es nicht mit der frz. Sprache. Und wieder einmal sollte ich eines Besseren belehrt werden. Die Franzmänner und -frauen knabberten mir förmlich ein Ohr ab und neben ein paar nützlichen Reisetipps für meine Weiterreise lernte ich noch ein paar neue UNO-Spielregeln kennen. Die Bootfahrt war, mit einem ganz einfachen aber absolut passenden Wort ausgedrückt, wunderschön! Wir schipperten zwei Tage durch die vielen tausenden begrünten Felsen und Inseln und machten immer wieder Stopps, um zu schnorcheln, zu schwimmen oder Kayak zu fahren. Ansonsten hieß es totale Entspannung auf dem Sonnendeck! In dieser atemberaubenden Kulisse im Wasser zu sein, die Augen zuzukneifen und wieder aufzumachen und tatsächlich immer noch da zu sein, da wird mir wieder bewusst wie gut es mir geht und ich bin dankbar, dass ich das alles so erleben darf und kann. Die Ha Long Bay ist eigentlich ein Naturschutzpark und ich bin davon ausgegangen, dass es hier ausser ein paar Booten nicht viel gibt. Aber da irrte ich mich gewaltig. Immer wieder passierten wir kleine Siedlungen, die hauptsächlich vom Fischfang leben. Es sind richtige kleine Dörfer auf dem Wasser, sogar mit eigener Kneipe und es gibt unheimlich viele Hunde – denen ist egal ob sie auf den Holzstegen balancieren oder lieber durchs Wasser schwimmen. Und ich war überrascht, dass wir große Teile der Tour für uns bzw. nur mit einem oder zwei weiteren Booten hatten. Vor allem unseren Schlafplatz, mitten in der Bucht, hatten wir für uns ganz allein. Ein Buch später und mind. 2 Punkte mehr auf der Teint-Skala legten wir am frühen Abend des zweiten Tages wieder in Cat Ba an. Für ein frz. Pärchen, die bereits seit 9 Monaten unterwegs sind, war es die letzte Station vor Ihrer Heimreise und man spürte den besonderen Moment den die Beiden erlebten und der sich auch ein stückweit auf mich übertrug.
Unterwegs auf dem Boot merkte ich schon, dass ich krank werde. Die diversen Klimaanlagen fordern ihren ersten Tribut. Also ging ich es langsam an, wurde ganz lieb im Hostel mit Ingwertee bemuttert und tat mir selbst etwas leid, für einen halben Tag. Dann riss ich mich zusammen, stieg auf den Scooter und fuhr Richtung höchsten Punkt der Insel, um einen Gesamteindruck zu bekommen. Gen Abend verwandelt sich die Promende von Cat Ba in einen riesigen Vergnügungspark – vor allem die asiatischen Touristen drehen komplett durch – sei es beim Karaoke-Singen oder beim Tandem-/ Tridemfahren. Es ist ein Vergnügen dem Zuzusehen, allerdings nicht unbedingt dem ganzen Zuzuhören. Der Asiate singt nämlich sehr lautstark und vor allem falsch. Cat Ba war ein überaus gelungener Anfang für meine Vietnamtour – jetzt freute ich mich auf Hanoi. Hier gibt es von Papa zum Geburtstag ein Hotel spendiert – mit einem großen Zimmer und Bad nur für mich, mit echten Handtüchern und weißen Bettlaken, mit kleinem Balkon und einer Badewanne. Ich hätte ja nicht gedacht diese nutzen zu müssen, aber dank der Erkältung überleg ich es mir dann nochmal.
Mr. Lee, mit dem ich im Vorfeld ein paar mal bzgl. der Zusendung der Kreditkarte gemailt hatte, begrüßt mich mit einem freudigen “ Ah Hello Ms. Janine“ – total süß und mir ging das Herz auf. Hanoi ist super duper toll!
Ich logiere mitten im Herzen, im Maison d’Orient direkt im Old Quarter, der Stadt und in wenigen Schritten hat mich das Hanoier Stadtleben total aufgesogen. Ich habe extra viel Zeit eingeplant um die Stadt zu erkunden. So trödel ich von Café zu Café, heute zugegebenermaßen eher von Saftladen zu Saftladen, wegen der Vitamine. Die Zeit ist förmlich spürbar, als Franzosen und später GI’s durch die Straßen gezogen sind. Hanoi ist lebendig, Hanoi ist alt, Hanoi ist hip – hier würde ich sofort hinziehen!
Gott sei Dank gibt es in Hanoi wenig architektonische Zeugen der sozialistischen Regierung. Breite Alleen, stalinistische „Prachtbauten“ und Exerzierplätze findet man nur wenige, wie auch klassische Sehenswürdigkeiten. Das Ho Chi Minh Mausoleum, die Citadelle, der literarische Tempel oder das „Hanoi Hilton“ sind keine unbedingten Must Sees – dann sich doch lieber in den kleinen und wuseligen Gässchen verlaufen und dem ganzen Trubel mit einem Grinsen auf dem Gesicht auf den Mini-Stühlchen und Höckerchen bei einem iced oder hot vietnamesischen Coffee aus dem Weg gehen. Ich bin ja ein Fan des vietnamesischen Kaffees, schön gesüsst mit Kondensmilch. Gestern bin ich daran aber fast verzweifelt. In einem klitzekleinen Kaffeeladen stand ich und habe verzweifelt versucht der Inhaberin zu erklären, dass ich „real vietnamese coffee with sweet milk“ haben möchte. Sie, ihre zwei Teenagerkinder und zwei andere vietnamesischen Gäste wussten damit überhaupt nix anzufangen. Dann rief sie vermutlich ihre andere Tochter an, der ich es dann wiederum erklärt habe und dann schienen alle verstanden zu haben. In der Küche habe ich auch eine Büchse Kondensmilch gesehen und auf diese gezeigt. Alle nickten zustimmend und ich freue mich auf meinen Kaffee. Der kam dann auch… mit einem Herzchen verziert….als ich dann aber umrührte war das Herzchen leider das einzige aus Kondensmilch Ich hatte einen wirklich leckeren Mokka bekommen, aber ich wollte doch einen Kaffee mit süßer Milch 🙁 Ich gebe nicht auf, gleich probier ich es noch einmal.
Hier in Hanoi habe ich zum ersten Mal den Luxus, dass ich nicht in Eile bin. So kann ich den Tag ein bißchen so verbringen, als würde ich „zu Hause“ sein – ausgiebig frühstücken, Tatort schauen, ist durch die Zeitverschiebung von 5 h leider nur früh möglich (und wenn das WiFi mitspielt), dösen, Musik hören, schlunzen, raus gehen, wieder rein kommen und sagen „ach, kann ich morgen auch noch machen“. Während ich diesen Artikel schreibe, höre ich wie die Nachbarn gegenüber lautstark debattieren was es heute wohl zum Abendessen gibt 🙂 Im Hotel und in meinem grandiosen Zimmer fühle ich mich wie zu Hause und mit Schrecken denke ich an den morgigen Tag, wenn es heißt „Good Bye Mr. Le & Hanoi“.
Das Fotoalbum zu Vietnam findet ihr hier.
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